Business2travel-Gründer Fabian Hilpert führt seit über zehn Jahren ein Leben als Digitaler Nomade. Er hat über 70 verschiedene Länder bereist und von dort gearbeitet. Fabian führt neben seiner Tätigkeit als Unternehmer, Kurse und Fortbildungen für verschiedene Bildungsinstitute von unterwegs durch. Im Interview erzählt er, wie es sich in Berghütten und Strandbungalows arbeitet, welche Fettnäpfchen es dabei zu vermeiden gilt und was man noch beachten sollte, um überall auf der Welt hochwertige Trainings übers Internet anzubieten.
Warum die Kombination aus Arbeiten und Reisen?
Wäre es nicht einfacher, ein festes Büro in der Heimat zu haben und dann in den Ferien im Ausland Urlaub zu machen?
Arbeit bleibt natürlich Arbeit, egal wo man ist, aber die Zeit dazwischen lebe ich einfach viel intensiver, wenn ich mich außerhalb meiner Komfort-Zone befinde. In den letzten zehn Jahren habe ich einfach unglaublich viel über andere Länder und deren Kulturen gelernt und mir Fremdsprachen angeeignet. Jeder Tag kann völlig neu und einzigartig sein. Das ist natürlich auch anstrengend. Die vielen Eindrücke können einen auch ein wenig überfordern und natürlich gehen auch mal Dinge schief, die eben schief gehen, wenn man nicht in gewohnter Umgebung im Büro, sondern in einer Hütte im Dschungel oder auf einer Alm arbeitet.
Es war damals total schwer, überhaupt einen Laptop zu finden, der sich für unterwegs eignete.
Ganz vermeiden kann man ein paar Sachen einfach nicht. Doch in den letzten Jahren hat sich schon viel getan, was einem das Leben als „Digital Nomad“ erleichtert. Als ich vor zehn Jahren in die Welt zog, gab es in meinem Heimatland Österreich wenige Gleichgesinnte. Es war damals total schwer, überhaupt einen Laptop zu finden, der sich für unterwegs eignete. Das ist heute anders und mit ein paar festen Strukturen, die sich auch in einen ständig wechselnden Alltag integrieren lassen, und paar grundlegende Dinge, die es zu beachten gilt, macht es für mich heute im Prinzip gar keinen großen Unterschied mehr, von wo aus ich meine Online-Trainings anbiete.
Was sind das denn zum Beispiel für Dinge, die man beachten sollte?
Einer der schlimmsten Anfängerfehler besteht wohl darin, sich blind auf das Internet in der Unterkunft oder auch auf das mobile Netz zu verlassen. Wenn man als Digitaler Nomade von unterwegs Texte schreibt oder andere Tätigkeiten verrichtet, die nicht an feste Termine gebunden sind, ist das nicht so wild. Dann wechselt man halt eben schnell den Standort. Aber wenn du in einem Online-Training sitzt und 30 TeilnehmerInnen sich darauf verlassen, dass du als TrainerIn anwesend bist, dann darf dir das nicht passieren. Dann kannst du nicht mal eben mit deinem Laptop unterm Arm hektisch über die Khaosan Road mitten in Bangkok laufen. Das ist nicht cool, da spreche ich aus eigener Erfahrung.
Und wie lässt sich so eine unangenehme Situation nun vermeiden?
Ich mache mittlerweile am Tag zuvor einfach einen kostenlosen Speedtest, zum Beispiel über Ookla oder WieistmeineIP.de. Wenn die Bit-Rate dauerhaft mindestens 10Mbit/s (Upload und Download) beträgt, weiß ich, dass ich auf der sicheren Seite bin. Außerdem habe ich immer zwei verschiedene Sim-Karten von unterschiedlichen Anbietern im Gepäck. Eine kann im Smartphone stecken, um dann einen mobilen Hotspot fürs Laptop zu generieren. Die zweite ist gut in einem handlichen Router oder im Tablet aufgehoben oder kann ggf. als eSim-Karte im Smartphone integriert sein. Besonders in Europa empfiehlt es sich, eine Sim-Karte aus dem Heimatland zu nutzen, da innerhalb der EU ohnehin keine Roaming-Gebühren anfallen. Zusätzlich kann man dann einen weiteren Dienst aus dem jeweiligen Land dazu buchen. Auch wer ein gutes Hotel oder AirBnB mit WLAN bucht oder sich für das Training in einen Co-Working-Space einmietet, ist mit mindestens einer zusätzlichen Sim-Karte für Notfälle immer gut beraten. Natürlich gibt es auch Services wie Google Fi und ähnliches, welche hier gut zum Einsatz kommen können.
Wie sicherst du dich da ab?
Mindestens genauso wichtig wie eine stabile Internetverbindung ist wohl die Stromversorgung.
Ich starte meine Kurse immer mit komplett vollgeladenen Akkus und habe alle Ladegeräte entweder weiter eingesteckt oder zumindest griffbereit. Ein Klassiker ist nämlich der Smartphone-Akku, der plötzlich leer ist, weil der Hotspot mehr Energie zieht als erwartet. Dadurch wird dann die Zoom-Konferenz unterbrochen. Bis das Handy wieder aufgeladen und eingeschaltet ist, ist bereits wertvolle Zeit verloren. Auch Laptop-Akkus werden stärker in Anspruch genommen, wenn ein Videochat mit vielen TeilnehmerInnen läuft. Wer Bluetooth-Kopfhörer nutzt, die ich persönlich sehr zu schätzen weiß, kennt wahrscheinlich auch das Problem, dass die Akkus meist nach zwei Stunden im Dauereinsatz verbraucht sind. Entweder lädt man diese dann per Fast-Charge-Funktion in der Pause wieder nach oder man hat ein Set Kabelkopfhörer oder ein extra Paar vollgeladene Bluetooth-Kopfhörer in petto.
Mein Profi-Tipp für eine sehr komfortabel Trainings-Atmosphäre ist übrigens ein zweiter Monitor. Grad bei Trainings mit digitaler Thematik, wie ich sie abhalte, macht es Sinn, den Bildschirm teilen zu können. So kann man den Teilnehmenden etwas direkt im Netz oder auf dem Computer zeigen und auf dem zweiten Bildschirme gleichzeitig die Gruppe im Blick behalten. Digitalen NomadInnen, die ja gerne mit leichtem Gepäck reisen, empfehle ich ein Ipad oder, wenn vorhanden, den Fernseher im Hotel. Beim Ipad sollte man dann auch unbedingt auf prall gefüllte Akkus vor Kursbeginn achten.
Technisch sind wir jetzt also auf der sicheren Seite.
Was für Fettnäpfchen gibt es denn sonst noch und welche Wege führen drum herum?
Blöd ist natürlich, wenn mitten im Training das Handy klingelt und Mutti sich nach dem Wetter erkundigen möchte. Das gilt natürlich immer, auch Zuhause. Deshalb: Handy während eines Meetings stets in den Flugmodus schalten. Wer sein Telefon als Internetquelle nutzt, sollte es zumindest stumm stellen. Noch unangenehmer als private Anrufe sind persönliche Dateien, Bilder und Websites, die sich plötzlich öffnen, wenn man grad den Screen für alle Anwesenden splittet. Um das zu vermeiden, sollte man sich auf dem eigenen Laptop einfach einen zusätzlichen Benutzer-Zugang für die Arbeit anlegen. Auf diesem professionellen Account finden sich dann nur Dateien und Ordner, die für das Training relevant sind. Denn auch wenn sich bei digitalen Nomaden Beruf und Alltag oft vermischen, sollte man zumindest versuchen, die beiden Sphären in gewissen Situationen so gut es geht voneinander zu trennen.
Was können Digitale Trainer noch tun, um auch auf Bali oder Jamaika ein professionelles Bild abzugeben?
Egal ob ich mein Training im Hotelzimmer, im Strandbungalow oder im Co-Working abhalte: Ich richte mein Umfeld immer so her, dass niemand den Unterschied zwischen einem normalen Büroumfeld erkennen kann. Das heißt, es sollte auf keinen Fall Unordnung, schmutziges Geschirr, dreckige Wäsche oder ein Stapel Pizza-Kartons im Video-Call zu sehen sein. Im Zweifel wählt man dann lieber einen der gängigen virtuellen, neutralen Hintergründe, die Zoom und andere Videokonferenz-Anbieter zur Auswahl stellen.
Was auch super unprofessionell wirkt ist ein zu stark angestrahltes Gesicht. Ausserdem, egal ob die Sonne durchs Fenster oder eine Lampe an der Decke von hinten strahlen: Durch Gegenlicht erscheinen Kopf und Gesicht vorm Bildschirm immer dunkel und das erschwert es den Teilnehmenden, Mimiken richtig zu erkennen. Im Digitalen ist die nonverbale Kommunikation sowieso schon erschwert, deshalb rücke ich notfalls die Möbel im Raum so zurecht, dass mein Gesicht ordentlich und professionell beleuchtet wird.
Wie kleidest du dich beim Online-Training?
Kann man bei warmen Temperaturen auch in Shorts vorm PC sitzen?
Auch wenn die untere Körperhälfte nicht zu sehen ist: Ich ziehe trotzdem immer eine ordentliche Hose an. Sollten ich aus irgendeinem Grund plötzlich mal aufstehen müssen und im Stress vergessen, dass ich in Badehose oder Jogger vor der Webcam sitze, macht das keinen besonders guten Eindruck. Auch Hawaii-Hemden und ähnliches sind für mich bei vielen Trainings ein NO-GO. In einem gebügelten Hemd wirkt man direkt viel seriöser. Das hat übrigens nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen psychologischen Effekt: Wer sich professionell kleidet, fühlt sich auch so und kann Inhalte besser vermitteln. Deshalb trage ich nur Sachen, die ich auch bei einem ortsgebundenen Training im Seminarraum anziehen würde.
Spielst du immer mit offenen Karten?
Das Hawaii-Hemd kann man im Koffer verstecken, doch was ist mit dem Sonnen-Teint oder anderen Indizien, die dafürsprechen, dass man sich schon längere Zeit im Ausland aufhält.
Ich sage meinen Teilnehmenden immer, wo ich mich gerade befinde. Das passt aber auch inhaltlich gut zu meinen Trainings, da ich ja vermittle, wie man sich online selbstständig macht und digitales Arbeiten mit Reisen kombiniert. Da gibt es aber keine allgemein gültige Formel und jede und jeder muss das vor dem jeweiligen Trainings-Kontext für sich entscheiden. Hält man zum Beispiel mitten im Winter ein Training vor gefrusteten BüromitarbeiterInnen, muss man sich bewusst machen, dass es vielleicht nicht gut rüberkommt und Unmut und Neid erzeugt, wenn man vom morgendlichen Strandspaziergang berichtet, während alle anderen sich gerade im strömenden Regen durch den Stadtverkehr zur Firma gekämpft haben. Man sollte sich auch klar machen: Sobald die Kursteilnehmenden wissen, dass man sich im Ausland aufhält, verzeihen sie kleine Fehler, wie eine kurz mal abbrechende Internetverbindung, viel schlechter.
Planst du deine Reisen eigentlich immer lange im Voraus oder buchst du spontan Unterkünfte?
Das gute beim Online-Training ist ja, dass Termine üblicherweise schon Wochen vorher feststehen. Das beziehe ich schon in meine Reiseplanung ein und überlege rechtzeitig, ob ich ein Hotel, ein AirBnB oder einen ganzen Konferenz-Raum für mich buche. Für mich macht es Sinn, Geld zu investieren, wenn ein intensiver Trainingstag ansteht.
Für mich macht es Sinn, Geld zu investieren, wenn ein intensiver Trainingstag ansteht.
Wer grad erst am Anfang seiner digital-nomadischen Karriere steht und kein großes Budget für Hotelaufenthalte hat, sollte trotzdem oder gerade deshalb vorher genau planen, wo er zur Zeit eines anstehenden Trainings sein wird. Vielerorts gibt es Co-Working-Spaces, wo man sich günstig für einen oder mehrere Tage einen Schreibtisch mieten kann. Übernachten kann man dann ja trotzdem in Mehrbettzimmer im Hostel oder im einfach eingerichteten Strandbungalow. Allerdings sollte man sich den Arbeitsplatz vorher anschauen und sichergehen, dass man für das Training in einem abgesonderten Bereich sitzt und nicht in einem Großraumbüro direkt neben der Kaffeemaschine, an der sich alle paar Minuten andere Nomaden zum Small-Talk treffen.
Wie stehst du zum Arbeiten im Cafe?
Der „Digital Nomad“ mit Laptop im Café ist schließlich der Inbegriff des ortsunabhängigen Selbstständigen.
Ein ruhiges Café – keine belebte Strandbar – sollte nur im absoluten Notfall mangels anderer Alternativen als Trainingsort ausgewählt werden. Hier gilt dann auch: vorher mal vorbeischauen, Stromsituation und WLAN checken und mit dem Personal abklären, ob es in Ordnung geht, wenn man mehrere Stunden einen Tisch blockiert und nur in den Pausen etwas bestellt.
Es gibt auch Digitale Nomaden, die im eigenen Campervan unterwegs sind. Auch von dort aus ist Online-Training möglich. Der Vorteil: Man arbeitet in einer gewohnten Umgebung, dem eigenen mobilen Zuhause. Viele „Vanlifer“ haben ihre Fahrzeuge so ausgestattet, dass sie über Solarstrom versorgt sind und so ihre Geräte laden. Allerdings ist man da vom Wetter bzw. den Sonnenstunden abhängig. Sicherer ist, wenn man auf einem Campingplatz die Stromversorgung nutzt. Für mobiles Internet gelten dieselben Regeln wie für alle anderen: WLAN auf dem Campingplatz oder mobiles Netz vorab unbedingt testen und im Zweifel lieber mal ein paar Nächte eine Unterkunft buchen.
Welcher Typ Mensch ist denn für das Leben und ortsabhängige Arbeiten als Online-Trainerin geeignet?
Natürlich sollte man Reisen und Abwechslung mögen. Aber generell kann ich nur jedem empfehlen, der sowieso schon digitale Online-Trainings von Zuhause abhält, es einfach mal aus dem Ausland auszuprobieren. Man muss ja nicht gleich seine Wohnung kündigen oder monatelang untervermieten und sich auf unbestimmte Zeit ins Abenteuer stürzen. Warum nicht einfach mal für drei Wochen mit Laptop im Gepäck zunächst mal nach Südeuropa und von dort ein oder zwei Trainings abhalten, um das Ganze innerhalb eines zeitlich begrenzten Rahmens erstmal zu testen. Wenn man die grundlegen Dinge beachtet, hat man auf jeden Fall mehr zu gewinnen als zu verlieren.